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World of Gothic




Heute vor zehn Jahren, am 29. November 2002, wurde Gothic II veröffentlicht, der heißerwartete Nachfolger zum Rollenspiel-Erstling Gothic der Essener Entwickler Piranha Bytes. Genau der richtige Zeitpunkt also, um einen Rückblick zu wagen.



Erster Screenshot von Khorinis. Die Texturierung wurde letztendlich noch geändert.
Das Spiel war handlungstechnisch die direkte Fortsetzung seines Vorgängers, das im März 2001 Kritiker und Fans gleichsam verzückte und unisono als großer Wurf im Rollenspiel-Genre betrachtet wurde. Spieletests schraubten sich in hohe Wertungskategorien und die Spieler selbst reagierten begeistert auf den innovativen Mix aus Rollenspiel und Action. Weniger Statistik und Charakterverwaltung als in traditionellen Rollenspielen, dafür direkteres Feedback durch die Interaktion mit der Spielwelt selbst. Und die Spielwelt komplett in 3D. Das war kurz nach der Jahrhundertwende noch neu und ungewöhnlich, kratzte es doch an den technischen Möglichkeiten, der erst seit wenigen Jahren verfügbaren 3D-Grafikkarten und vor allem der limitierten Rechner-Hardware. Derartige Grafikwelten waren höchstens für Shooter üblich, deren meist aus mehr oder weniger kunstvoll verschlungenen Schlauchleveln bestehende Spielwelt die damalige Hardware, was Speicherangebot des Arbeitsspeichers und Taktfrequenz des Hauptprozessors anbelangte, nicht vollkommen überforderte. Mit einer offenen Welt kratzte man hingegen am Limit des Machbaren. Und das war auch noch 2002, anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung von Gothic, nicht grundlegend anders. Doch Gothic II war nur der logische Schritt, der nach dem Erfolg von Gothic gemacht wurde. Oder etwa nicht? Jetzt ist ein etwas längerer Exkurs notwendig. Aber keine Angst, danach geht es so richtig los mit Gothic II.


It’s the economy, stupid!

Ursprünglich war nämlich gar nicht zwingend ein Nachfolger geplant. Die Geschichte von Gothic war in sich abgeschlossen und konnte als zu Ende erzählt gelten. Auch wenn sich im Schlussdialog des Spiels eine obligatorische Hintertür offen gehalten wurde. Aber das leisten sich viele Spiele, Filme und auch Bücher. Man kann ja nie wissen … Doch statt an einer Fortsetzung von Gothic zu arbeiten, wandte man sich bei Piranha Bytes nach dem Erfolg des ersten Spiels, das das Studio veröffentlicht hatte, neuen Dingen zu. So war vorrangig ein Action-Spiel in der Planung. Doch aus dem wurde nichts. Das lag an Umständen, die mit der Struktur der Firma zusammen hingen. Die Piranha Bytes GmbH war nämlich Teil des Firmenkonglomerats Phenomedia AG, die Software für PC und Mobiltelefone herstellte, und durch den Börsenhype auf so genannte New-Economy-Firmen Ende der Neunziger groß wurde. Flächendeckende Verbreitung von Internet und Mobiltelefonen schürten Erwartungen an Gewinne, die mit diesen neuen technologischen Entwicklungen verknüpft wurden. Dies führte dazu, daß viele Firmen enorme Werte durch Börsengänge einsammelten – darunter auch einige mit eher schwammigen Geschäftsideen. Die Phenomedia AG war Anfang 2000 zum Beispiel völlig überbewertete 400 Millionen Euro wert. Für eine Firma, die als einzigen allseits bekannten Hit das kostenlose Werbespiel Moorhuhn vorweisen konnte, eine stolze Entwicklung. Mit dem an der Börse eingesammelten Geld ging man auf Einkaufstour und vergrößerte sich.

Doch der Hausse folgt auch immer eine Baisse. Im Fall des Neuen Marktes war dies sogar ein lauter Knall, als die entstandene Blase im Frühjahr 2000 platzte und Anleger, Angestellte und Geschäftsleitungen vieler Firmen der Wahrheit ins Auge sahen. Medien erfanden den Begriff der Dotcom-Blase. Auch die Phenomedia AG geriet in finanzielle Bedrängnis, zusätzlich tauchten 2002 noch Bilanzunregelmäßigkeiten auf, die überhaupt erst zu der extrem hohen Bewertung der Firma während der Dotcom-Euphorie geführt hatten. Doch springen wir zurück ins Jahr 2001. Nachdem auch der Phenomedia AG der Wind verstärkt ins Gesicht blies, suchte man nach strategischen Partnern für das Geschäft mit Computerspielen. Gefunden wurden diese unter anderem in der Firma JoWooD AG. Auch JoWooD hatte sich in den Jahren des Dotcom-Booms erheblich vergrößert. Aus einem österreichischen Entwicklerstudio mit dem europäischen Hit Industriegigant war dank Börsengang im Jahr 2000 ein Publisher mit gefüllter Portokasse geworden. Man kaufte in großem Stil Entwicklerstudios (zum Beispiel Massive Development [Aquanox], Neon Studios [Die Völker] oder gleich ganze Publisher wie die strauchelnde Firma Fishtank (Computersparte des Ravensburger-Verlages), die ursprünglich als Publisher für das Rollenspiel Arx Fatalis verantwortlich zeichnete.


Und es wurde … Gothic II

Im August 2001 gaben Phenomedia AG und JoWooD AG bekannt, in Zukunft diverse PC- und Konsolenspiele gemeinsam zu veröffentlichen. Dabei hieß es unter anderem: „The nine full-price titles include sequels to the most successful games like "The Planner", "Cultures" and "Gothic" …” Also doch ein Nachfolger zu Piranha Bytes’ Rollenspiel? Noch nicht so ganz. Denn es war ein Addon („Sequel“ genannt) geplant. Im gleichen Sommer fragten die Entwickler in den beiden großen Fanforen Gothic@g0mp und World of Gothic nach, was sich die Fans für ein Addon wünschen würden. (GOTHIC – Addon – Was wollt ihr vom 05.06.2001 und Keine weiteren Vorschläge zum Sequel vom 13.06.2001). Die Ideen sprudelten und die Piranhas schrieben vermutlich fleißig mit. Dann wurde fleißig los entwickelt und eine Weile hörte man nichts mehr.


Neue Monster gingen bekannten Beschäftigungen nach: Begrenzung der Spielwelt für zu unerfahrene Abenteurer.
Irgendwann im Herbst 2001 entschloss man sich bei JoWooD, Phenomedias neuem Partner, Nägel mit Köpfen zu machen. Statt eines Addons wurde ein vollwertiger Nachfolger bestellt. Die Anfänge des begonnenen Addons wurden eingestampft, das Team um Mike Hoge, das sich mit den Ideen für einen Shooter mit zerstörbarer Umgebung befasste, ließ dieses Projekt in einer ganz frühen Ideen-Phase fallen und setzte sich stattdessen hin, um von Grund auf einen vollwertigen zweiten Teil von Gothic zu entwickeln. Die Arbeiten des Addon-Teams wurden dabei nicht berücksichtigt. Das lag auch an den technischen Änderungen, die durch das Addon-Team mittlerweile an der Engine vorgenommen worden waren. Stattdessen nahm man wieder die unveränderte Engine von Gothic her und entwickelte von Null auf neu.

Und hier sieht man den Unterschied zwischen Modteams, die mit wenigen engagierten Mitgliedern in ihrer Freizeit meist viele Jahre brauchen, um sogenannte Total Conversions mit dem Gothic SDK zu erstellen und einem professionellen Entwickler, wo zwanzig und mehr Leute den ganzen Tag an der Erstellung eines Spiels arbeiten. Denn in nur etwa elf Monaten Entwicklungszeit klöppelt Piranha Bytes nun mit voller Kraft und dank der bewährten Technik des Vorgängers den Nachfolger zu Gothic zusammen, der getreu dem olympischen Motto „schneller, höher, weiter“ größer, umfangreicher und abwechslungsreicher wurde. Noch bemerkenswerter wird das Ergebnis, wenn man bedenkt, daß im Sommer 2002 die Mutterfirma des Entwicklers, die Phenomedia AG, Insolvenz anmeldete und die hundertprozentige Tochter Piranha Bytes ebenfalls in ihrer Existenz bedroht war. Es gelang, die Firma samt den ihr gehörenden Marken (Gothic, Piranha Bytes, Xardas) aus der Insolvenzmasse herauszukaufen und als Pluto13 GmbH einen nahtlosen Neuanfang zu starten. Die Gothic II-Entwicklung ging indessen weiter. Alleiniger Publisher wird nun die JoWooD AG. Doch auch dort wird man Probleme haben, doch dazu später mehr.



Heimeliges Fantasy-Mittelalter in der Alpha-Phase.
Vertrau mir, alles wird gut

Gothic II erzählt die Geschichte nach dem Ende von Gothic nahezu nahtlos weiter. Der in der Endsequenz von Gothic im Schläfertempel verschüttete Held wird von seinem geheimnisvollen Mentor Xardas befreit und sofort auf eine neue, gefährliche Mission geschickt. Und diese findet zu großen Teilen nicht mehr im bekannten Minental statt, sondern in einer neuen Welt. Endlich lernt man die Insel Khorinis und die allseits berühmte gleichnamige Handelsstadt, von der schon in Gothic die Rede ist, näher kennen. Auch in dieser Welt hat jeder seine eigenen Probleme. Neue Fraktionen kämpfen um die Vorherrschaft und endlich gibt es auch eine – für damalige Verhältnisse – durchaus beeindruckende, größere Stadt. So richtig im Mittelalter-Feelgood angesiedelt, samt pittoresker Zinnenmauer mit Zugbrücke, Rittern in Blechanzügen und heimeligen Fachwerkhäusern. Das ist kuschelig. Hierher kommt man gerne zurück. Überhaupt ist den Leveldesignern bei Gothic II wieder Großes gelungen. Bis heute gilt die Welt von Gothic II als Beispiel für ein gelungenes Weltendesign. Verschlungen, abwechslungsreich, mit schönen Blicken und immer wieder überraschenden Orten präsentiert sich eine Welt, die geradezu danach schreit, vom Spieler entdeckt zu werden. Hinter jeder Ecke, so der Eindruck, gibt es etwas Neues, Einmaliges zu sehen. Das Spiel ist nicht nur größer als sein Vorgänger Gothic, die Geschichte ist auch umfangreicher, die einzelnen Kapitel länger. Und außerdem sind die von ruppig über schnöselig bis ängstlich reichenden, wunderbar geschriebenen Dialoge der vielen Charaktere wieder erstklassig vertont.

Das sieht auch die Spielepresse genauso. Thomas Weiß schreibt in der PC Games:
Gothic 2 ist von vorne bis hinten mit verzwickten und motivierenden Quests voll gepackt, ohne verwirrend zu sein. Die Kampfsteuerung hat man im Vergleich zum ersten Teil zum Positiven hin entschärft, das Gegnerverhalten ist glaubwürdig, die Story - obwohl klischeebeladen - spannend umgesetzt.
Und Mick Schnelle stellt in der GameStar fest:
Ein Ausflug in die Gothic-Welt ist für mich wie drei Wochen Urlaub [...] Der Schwierigkeitsgrad ist allerdings nicht von schlechten Eltern.
Das findet auch PC-Joker-Urgestein Richard Löwenstein auf Spiegel.de:
Gothic 2 ist ein Titel für Daddler mit Erfahrung, denn der Mut eines Einsteigers könnte am hohen Schwierigkeitsgrad und der unübersichtlichen Steuerung zerbrechen.
Nunja, damals kannte man das Addon und dessen stark gesteigerten Schwierigkeitsgrad eben noch nicht. Sogar Jörg Luibl von 4Players.de ist voll des überschwenglichen Lobes:
Gothic 2 entführt Euch in eine lebendige Fantasy-Welt, die mit glaubwürdigen Charakteren und herrlichen Landschaften überzeugt. Noch nie hat ein Spiel das Gefühl von Wildnis so gut vermittelt - tiefe Schluchten, dunkle Wälder und malerische Flussauen sorgen für Entdecker-Stimmung. Und in den Städten lockt das Abenteuer dank zahlreicher Quests und einer meisterhaften KI, die die Bewohner im Gegensatz zu Morrowind erschreckend lebendig macht: Ihr werdet rausgeschmissen, verpfiffen und bei Diebstahl angegriffen. Die exzellenten Sprecher sorgen dabei für derbe Atmosphäre.


Mystisch-gefährliche Stimmung in den Wäldern sorgten für Spannung bei Entdeckungsrundgängen.
Leider gibt es auch wieder jede Menge Bugs, die Piranha Bytes in zwei Patches, die in den Wochen und Monaten nach dem Release nachschiebt, größtenteils behoben werden. Meist handelt es sich um Scriptfehler, die das Verhalten von Monstern oder Figuren in bestimmten Situationen zum Problem werden lassen. Piranha Bytes urteilt später, daß sie bei Gothic II an die Grenze des Möglichen gegangen sind, was die Kompliziertheit der vielen Scripte betrifft, die das Figurenverhalten oder die Verknüpfung und Verschachtelung von Quests angeht.


Wackelkandidat JoWooD

Doch bevor die Fans Spielwelt und Bugs entdecken können, spielt sich noch ein Krimi ab. JoWooD beauftragt als Distributor für die logistische Verteilung der veröffentlichten Spiele an die Einzelhändler und Elektromärkte traditionell die eigene Tochterfirma Leisuresoft. Doch als JoWood just am 14. November die Geschäftszahlen veröffentlicht, steht ein Verlust von 4,1 Millionen Euro allein für das dritte Quartal in den Bilanzen. Insgesamt wurden seit Jahresbeginn über 42 Millionen Euro verbrannt. Der Publisher ist in finanziellen Schwierigkeiten. (Es war nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal bleiben.) Es muß gespart werden. Umstukturierungsmaßnahmen werden angekündigt. Wird Gothic II noch an den Handel ausgeliefert werden können oder müssen die Fans vergeblich warten? Schließlich ist der 29. November 2002 ein Freitag. Ein Wochenende ohne das heißersehnte und fest erwartete Gothic II entfaltet sich in den Albträumen vieler Fans als Horrorszenario. Verschiebungsgerüchte werden laut. Einen Tag vor dem geplanten Release wird von JoWooD als Ersatz-Distributor die Firma Koch Media gefunden. Wie JoWooD ist „Kistenschieber“ Koch Media im österreichischen Rottenmann ansässig. Man kennt sich. Doch die Zeit, um alles zu organisieren, ist viel zu knapp.

Ergebnis sind Verspätungen des fertigen Gothic II aus den Lagern in die Läden in Deutschland. Enttäuschte Fans organisieren sich und auf einer von einem Fan eigens erstellten Webseite wird die Verfügbarkeit je nach Verkaufsstelle und Ort eingetragen. Die Infos liefert der Schwarm aus allen Ecken der Republik per Mail. So funktionierte das mit dem Internet in der Prä-Facebook-Ära. Neben Infos wie
„Köln
Media Markt, Hats auf Lager! (49.99€)“
gabs auch lustige Einträge wie
„Halle
Vobis, Inkompetentes Personal wusste nicht was Gothic 2 ist (Deppen)“
„Karlsruhe,
Saturn, Ist durch den Vertreiberwechsel total irritiert und weiss nicht mehr wanns rauskommt)
oder
„Potsdam,
Vobis, Hat das Spiel nicht bestellt (Deppen)“
Doch nach und nach wurde alles gut und die jeweils bestellten Mengen an Gothic II-Ausgaben wurden an den Handel geliefert und konnten verkauft werden. Und einige Spieler hatten auch Glück und ihr Exemplar noch am Freitag ergattert. Schon wenige Tage später kamen die ersten Highspeed-Gamer in unser Forum, die es tatsächlich schon durchgespielt hatten.
„Ich habe es am Samstagmorgen um 9:40 gekauft, um 10:30 installiert und dann drangehangen, bis ich es gestern [Sonntag] Abend durch hatte.
Viele Sachen konnte man sich denken, wenn man sich mal in die Sache reinversetzt eine Quest zu proggen...
Größtenteils hab ich mich an die Hauptstory gehalten und mich mit Hilfe von Verwandlungsspruchrollen durch Gegnerscharen geschlichen...“
Gothic II blieb auf Monate hinaus ein heiß diskutiertes Spiel, verschiedene Questlösungen, Erlebnisse bei der Entdeckung der Welt, lustige oder merkwürdige Dialogoptionen und Informationen über die Hintergründe der Geschichte sorgten für lang anhaltende Diskussionen.



Gothic II strotzt nur so vor abwechskungsreich gestalteten Landschaften.
Die Vollendung des Spiels Gothique deux.

Zum durchschlagenden Erfolg von Gothic II trug nicht unwesentlich das knapp neun Monate später erscheinende Addon Die Nacht des Raben bei. Im Vorfeld der Addon-Veröffentlichung entwickelte sich in Fankreisen eine Art Hype, der später, bei Gothic 3 ähnlich auftrat, nur in viel größerem Ausmaß. Dies auch durch eine umfassende und immer wieder euphorische Presseberichterstattung. Für das Addon hatte sich Piranha Bytes auf der offiziellen Webseite eine Art Tour durch die neuen Gebiete ausgedacht, deren einzelne Stationen nach und nach freigeschaltet werden sollten. Die ungeduldigen Fans tüftelten jedoch die Links zu zukünftigen Stationen schon im Vorfeld aus. Die große Vorfreude wurde auch nicht enttäuscht. In Die Nacht des Raben wurde noch einmal eine gewaltige Schippe an Spielinhalten draufgelegt. Noch mehr Quests, mehr Gegner, mehr Inhalte und eine neue Welt gab es auch zu entdecken. All das war jedoch so kunstvoll in die bestehende Geschichte eingewoben, das bis heute viele Spieler davon ausgehen, daß das Addon von vornherein eingeplant gewesen sei. Plätze, die in Gothic II noch leer und unbenutzt schienen. Seltsame Überreste von irgendwelchen Ereignissen in der Welt – all das bekam nun einen tieferen Sinn durch die intelligente Einbindung in die erweiterte Handlung des Addons.

Und hinzu kam noch, daß nun auch in Gothic II Modifikationen möglich waren, denn mit dem Addon wurde auch wieder ein Mod Kit veröffentlicht, mit dessen Hilfe es möglich war, auf der Grundlage der Spieldaten von Gothic II neue Welten zu erschaffen und neue Geschichten zu erzählen. Da dies mangels Interesse seitens Publishern und Entwickler das bis heute letzte Piranha-Bytes-Spiel mit einem Editor ist, hält sich eine recht ansehnliche Community, die sich mit dem Modden des Spiels beschäftigt, seitdem hartnäckig. Bis heute werden immer wieder sehr aufwendige große Story-Mods veröffentlicht, die in eigens kreierten Welten mit völlig neuen Abenteuern spielen - auch wenn das Spiel mittlerweile grafisch und technisch sehr angestaubt ist. Auch der Existenz dieser fleißigen Community ist es zu verdanken, daß Gothic II dank deren neuen Inhalten bis heute ein lohnenswertes Spiel geblieben ist. Allgemein wird Gothic II von großen Teilen der Fan-Schar als Höhepunkt der Spiele von Piranha Bytes angesehen. In keinem der Nachfolgespiele (Gothic 3, Risen, Risen 2) wurde ein vergleichbares Spielgefühl aus freier Erkundung, glaubhafter, lebendiger Welt und guter Spielerführung entlang einer spannenden Story erreicht.

Artikelupdate: Zehn Jahre später ...

Was man vor zehn Jahren kaum für möglich hielt, ist tatsächlich eingetroffen: Die Popularität von Gothic II hat mit der Zeit wieder zugenommen. Dass das Spiel vielen weiterhin so gut in Erinnerung bleibt, hat mehrere Gründe. Einmal ist nicht wie von einigen befürchtet, die Aktivität der Modding-Community mit den Jahren abgeflaut. Im Gegenteil, viele Modder haben sich immer weiter professionalisiert und äußerst umfangreiche Projekte veröffentlicht, bei denen es sich oftmals um sogenannte Total Conversion handelt, also völlig neue Welten, für die nur die Technik des Originalspiels genutzt wird, die aber ansonsten nicht unbedingt etwas mit der in Gothic II vorgestellten Welt zu tun haben. Mods wie Xeres' Rückkehr, Der Weg des Schläfers, Dirty Swamp, Legend of Ahssûn, Odyssee oder Chronicles of Myrtana: Archolos - um nur einige zu nennen, sorgen für viele hundert Stunden neuen Spielspaß. Und das alles auf einem Niveau, der oft dem, was professionelle Entwicklungsteams hervorbringen, kaum oder gar nicht nach steht. Hinzu kamen technische Erweiterungen in den letzten zehn Jahren, die zum Beispiel moderne Grafikeffekte mit Direct X11 zaubern oder die Verwaltung installierter Mods einfacher machen (Spine) oder aber auch das Text-to-Speech-Tool, mit dem neue Dialoge mit den Stimmen der originalen Gothic-Sprecher per Computer neu vertont werden können. Und mit etwas Übung bei der Erstellung klingen diese Dialoge richtig überzeugend.

Ein zweiter Grund für das anhaltende Interesse am Spiel ist die große YouTuber-Szene. Es werden nach wie vor viele Let's Plays veröffentlicht. Gerade auch von vielen verschiedenen Mods, die so weitere Aufmerksamkeit und Verbreitung erfahren. Zusätzlich gab und gibt es verschiedene Podcast-Formate, die sich mit einzelnen Aspekten der Gothic-Spiele beschäftigen und so die nostalgischen Erinnerungen vieler Spieler wachrufen. Und mit Hilfe des Text-to-Speech-Tools und neuer Animationen werden auch immer neue Songs mit passendem Video veröffentlicht, gesungen mit den Stimmen der Sprecher im Spiel und unterlegt mit Musik von Rap über Dance bis hin zu Synthwave. Auch sonst eignet sich die Welt der Insel Khorinis für Sketche, Filme, Spielszenen aller Art und auch hier wird immer wieder neuer Content veröffentlicht.

Und zum Dritten sind einige Multiplayer-Projekte enstanden, die auf Grundlage eines von Fans entwickelten Multiplayer-Clienten in der Gothic-Engine echtes Rollenspielfeeling in der Gruppe aufkommen lassen. Man kann gemeinsam in Khorinis leben oder im Minental Abenteuer erleben, Berufen nachgehen, seine Handwerksfähigkeiten steigern, Geld im Spiel verdienen und in Gilden aufsteigen. Server wie Strafkoloie Online, Altes Khorinis, Gothic Online: Untold Chapters, Jharkendar Online, Classic Khorinis oder Eskalon zeigen schon in ihren Namen die Bandbreite des Angebots. Gothic II ist also lebendig wie nie zuvor. Selbst große Leitmedien wie der Spiegel berichten über das zwanzigjährige Jubiläum - was die Bedeutung von Gothic II für die Gaming-Kultur hierzulande nur unterstreicht.

Und nun auf zum dreißigjährigen Jubiläum! Schauen wir mal, was uns im nächsten Jahrzehnt an spannenden, neuen Inhalten aus der Fanszene erwartet. Eins ist sicher: Es wird weiterhin interessant bleiben.



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